Wenn man sich ein wenig intensiver umschaut, stellt man fest, dass es seit geraumer Zeit eine immer intensivere Auseinandersetzung gerade von Kognitionsforschern und Sozialpsychologen mit dem Phänomen „Erzählen“ gibt. Ein interessantes Beispiel ist Fritz Breithaupt, Professor an der Indiana University, der einiges zum Thema „Empathie“ veröffentlicht hat und wohl auf diesem Wege auch (zwangsläufgig möchte…„Storytelling im Paradies“ weiterlesen
Der Germanist und Journalist Michael Esders hat mit „Ware Geschichte. Die poetische Simulation einer bewohnbaren Welt“ eine Essaysammlung vorgelegt, die den ganzen Hype um Geschichten in, von und für die Wirtschaft aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet – und er tritt dabei auch zur Verteidigung des Erzählens gegen seine Kommerzialisierung und Industrialisierung an. Dabei reicht die Bandbreite der Phänomen, die er unter die Lupe nimmt, vom Siegeszug des Heldenreise-Schemas über die Schilderung aktueller Viralmarketing- und Liquid Storytelling-Strategien, Scripted Reality im TV und narrative Selbstinszenierungen in den sozialen Medien bis hin zu den Versuchen, Storys mit Hilfe entsprechender Algorithmen massenhaft maschinell zu erzeugen.
"Kommerzielles Storytelling kommt an seine Grenzen: Erzählen bleibt ein Spiel mit dem Feuer" weiterlesenWann immer im Zusammenhang mit einem bestimmten Diskurs Personen zu „Päpsten“ ernannt und Werke zu „Bibeln“ ausgerufen werden, sollte man besonders wachsam werden. Das Problem dabei sind meist noch nicht einmal die derart beweihräucherten Personen und Werke selbst, sondern die Herde der Gläubigen, die sich hinter ihnen scharen: Leute, die sich nach Autorität sehnen, nach Teilhabe am „Richtigen“ und unwillig oder unfähig sind, selbst zu denken (oder einfach behaupten, sie hätten keine Zeit dazu).
Wenn es um Storytelling geht, haben sich die Schäfchen Robert McKee als Oberhirten ausgeguckt, der als „Drehbuch-Papst“ tituliert und dessen Buch mit dem ebenso schlichten wie genialen Titel „Story“ als „Screenwriters Bible“ bezeichnet wird.
Verfolgt man, was so alles zum Thema Storytelling geäußert wird, trifft man wiederholt und nahezu unvermeidlich auf Gedankengut (und Ideologeme) von McKee. Auch wenn der Name bzw. die Quelle nicht erwähnt wird – was ja immer mehr in Mode zu kommen scheint – schimmert in vielen Beiträgen immer mal wieder die mehr oder weniger gut verdaute „Story“-Lektüre durch, etwa in Sätzen wie: „Jede gut erzählte Geschichte – ob Mafia-Epos oder 30-Sekunden-Spot – kommuniziert EINE Botschaft.“ oder „Die besten Serien der Welt lassen sich in einen einzigen Satz komprimieren.“ (gefunden in einer Marketing-Kolumne).
Tja, da fragt man sich dann schon, warum sich die guten Autoren denn so viel Mühe machen und ganze Romane oder stapelweise Drehbücher verfassen, anstatt einfach ihren Satz abzulassen – und gut is‘.
"If I had a hammer…: „Story“ von Robert McKee" weiterlesenNaturgemäß muss man erst einmal eine solche Geschichte haben. Muss das Gespür dafür haben, dass man eine Story gefunden hat, die es auch verdient, als Geschichte erzählt zu werden. Es dann auch zu tun und erzähltechnisch gut zu tun, ist dann immer noch eine bemerkenswerte Leistung.
Eine Story mit mehreren Ebenen
Marc Brost, Mark Schieritz und Wolfgang Uchatius haben es getan, in der ZEIT Nr. 27 2013. Die Geschichte selbst soll hier nicht nacherzählt werden, es lohnt sich, Inhalte und Art der Darstellung im Original nachzulesen. „Verrechnet!“, so der Beitragstitel, handelt vom Wissenschaftsbetrieb, vom intrikaten Verhältnis von Wissenschaft – in diesem Falle von der Volkswirtschaftslehre –, Politik und Wirklichkeit. „Verrechnet!“ handelt auf der nächsten Ebene von Glaube und Zweifel, von Autoritätsbeweisen und vom Expertentum aus erster, zweiter und dritter Hand und wie das sich als Gott auf tönernen Füßen entpuppt (by the way ein schönes Beispiel für Campbells entsprechende Figurenklasse).
"„Verrechnet!“ geht voll auf: Ein gelungenes Beispiel journalistischen Storytellings" weiterlesen