Ein Gastbeitrag von Inga Ellen Kastens

Drama.

Der VW-Konzern macht derzeit vieles richtig. Gemäß Lehrbuch für Angewandtes Krisenmanagement schnurrt die Maschinerie in aufeinanderfolgenden Szenen:
Die Sünde explizit öffentlich zugeben.
Above the Line die Sünder-Geschichte entfalten und sich in den deutschen Sonntagszeitungen als reumütig positionieren („Eigentlich sollte hier unsere Anzeige stehen.“).
Intern Verantwortliche finden und Exempel statuieren (CEO-Abgesang, Vorstandswechsel).
Auf harte Zeiten einschwören (neuer VW-Chef Matthias Müller).
Transparenz und zaghafte Geständnisse (einzelne anonymisierte Ingenieure).
Die obligatorische Kostenschiene fahren (Sparkurs).
Hier soll nicht gemeckert werden. Meckern ist leicht. Und es soll nicht darum gehen, wie das Kind tropfnass aus dem Brunnen herausgezogen und trockengelegt werden kann.

"Wenn Markenkerne ihre zwei Seiten zeigen. VW (Vertrauenswagen)" weiterlesen

VW-Gate: Storys to come…

In der kurzen Zeit seit Teil I unserer Beschäftigung mit VW-Gate online ist, häufen sich die Indizien, dass wir mit der Skizze einer möglichen Realstory nicht ganz falsch liegen: Dass das Thema „Marke“ und der Einfluss der entsprechenden Entscheider und die Vorstellung, die man vom Kunden hatte, bei der Entwicklung der Dinge eine wesentliche Rolle spielten, wird nun auch schon mal thematisiert: So schreibt Tobias Piller auf FAZ.NET:

Bisher wurde den Käufern neuer Modelle bei den weiterentwickelten Motoren immer die Kombination von weniger Emission und Verbrauch zusammen mit mehr Leistung geboten. Dahinter steckt die Annahme, dass sich manche Kunden nicht von einem Neuwagen überzeugen ließen, wenn der gleichzeitig mit niedrigeren Abgaswerten schlechtere Leistung bietet.

 

"Clash of storys II: Wird VW Geschichte schreiben?" weiterlesen

Natürlich ist das eine Geschichte! Und was für eine. Jeder Skandal impliziert eine echte Geschichte, mit allem was dazugehört: Vor allem eine Aufsehen erregende Grenzüberschreitung, Schurken, Bösewichter, tumbe Toren (auch die, die staunend und raunend vor dem Offenbarwerden der skandalösen Ereignisse stehen) und Opfer.

Natürlich ist dies keine Story, die von den Markenmanagern von VW und ihren Agenturen konzipiert worden ist – sondern eine, an der diese teilhaben und in die sie nolens volens verstrickt sind. Willkommen in der wahren Geschichte. Einer Geschichte, die – gerade wenn man das Verhältnis von Markenstory, realer Geschichte, kulturellen Diskursen und vielen anderen Aspekten beleuchten will – überreichlich Stoff für Erkenntnisse liefert.

Grund genug, mal etwas weiter auszuholen (und wie immer ist niemand gezwungen, das alles am Stück zu lesen oder überhaupt durchzuhalten).

"Clash of Storys: Bei VW-Gate kollidieren Marketingstorys und reale Geschichte" weiterlesen

Der Germanist und Journalist Michael Esders hat mit „Ware Geschichte. Die poetische Simulation einer bewohnbaren Welt“ eine Essaysammlung vorgelegt, die den ganzen Hype um Geschichten in, von und für die Wirtschaft aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet – und er tritt dabei auch zur Verteidigung des Erzählens gegen seine Kommerzialisierung und Industrialisierung an. Dabei reicht die Bandbreite der Phänomen, die er unter die Lupe nimmt, vom Siegeszug des Heldenreise-Schemas über die Schilderung aktueller Viralmarketing- und Liquid Storytelling-Strategien, Scripted Reality im TV und narrative Selbstinszenierungen in den sozialen Medien bis hin zu den Versuchen, Storys mit Hilfe entsprechender Algorithmen massenhaft maschinell zu erzeugen.

"Kommerzielles Storytelling kommt an seine Grenzen: Erzählen bleibt ein Spiel mit dem Feuer" weiterlesen

Neulich sah ich einen jungen Mann, der – unterwegs zu einem bayerischen Volksfest – ein rosa Tütü über seiner Pseudo-Trachten-Lederhose trug. Schwer zu erraten, was jemand mit einem solchen Aufzug auszusagen versucht; Aufmerksamkeit erregte er in dem Outfit allemal. Nicht schwieirg dagegen zu sagen, woher die Anregung für die Maskerade kam, hat doch die Telekom über ihre Werbung den „Mann im Tütü“ über die Grenzen der Netzgemeinde hinaus bekannt gemacht, indem sie ihn und m.E. seine Geschichte in den Mittelpunkt von Fernsehspots stellte. Motto: Das Internet ermöglicht tolle Geschichten und wir gehören – zusammen mit vielen anderen – zu denjenigen, die die Infrastruktur dafür bereitstellen, damit so etwas geschehen kann.

Nennen wir die Struktur hinter dieser Werbung mal das „Ermöglicherschema“: Man sucht sich eine interessante, ungewöhnliche Story aus dem wahren Leben und pappt dann eine Botschaft dran, die suggerieren soll: Sowas machen wir möglich (wie mittelbar auch immer).

"Tütü, Tata – Storytelling nach dem „Ermöglicherschema“" weiterlesen

Storytelling im Werbespot, Erzählungen in filmischer Form, komprimiert auf eine knappe Minute oder zwei: Die Bandbreite ist weit und wird wohl in Zukunft noch erweitert werden. Das betrifft die Erzählweise, die Komprimierung, das Ausmaß an Intertextualität und nicht zuletzt die verzwickte Frage, wie das Produkt (oder das „sendende“ Unternehmen) in die Geschichte integriert wird. Derzeit gibt es unterschiedlichste Ansätze; der aktuelle Trend scheint aber zu sein, voll auf Emotion zu setzen. Was dabei auf der Strecke bleiben könnte, ist nicht nur der Respekt vor der Intelligent der Rezipienten und folglich den Kunden – wenn es den je gegeben haben sollte – sondern auch die Geschichten selbst.

"Gerührt – nicht geschüttelt: Wie Storytelling in Werbespots auf unsere Emotionen zielt" weiterlesen