Die Big Story der Republikaner: Eine Restaurationsgeschichte
Kategorien Storytelling und PolitkommunikationAnfang 2010 schrieb Marty Kaplan einen Artikel, in dem er die These aufstellte, die Demokraten in den USA seien lausige Storyteller, während die Republikaner von Reagan bis Bush sich auf dieses Instrument der (politischen) Kommunikation weitaus besser verstünden und es erfolgreich angewandt hätten.
Die big story, die die Republikaner immer und immer wieder erzählen, geht nach Kaplan im Prinzip so: Früher gab es einen freien Markt. Der Staat ließ die Wirtschaft machen und Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen. Die alten Werte hatten noch Gültigkeit und die USA beherrschten die Welt. Dann kamen Demokraten an die Regieung, knechteten die Wirtschaft mit staatlichen Vorgaben, zerstörten die amerikanische Lebensart mit Immoralität, fingen an für die Gegner Amerikas zu schwärmen und die eigene Nation schlecht zu reden…
Die Republikaner nutzen den Masterplot der Restauration
Aus meiner Sicht ist das allerdings nur der erste Teil der Story: Der zweite Teil folgt logisch aus dem geschilderten Phasenmodell: Jetzt wird einer kommen, der aufräumt und die Grundordnung wiederherstellt. Das von Kaplan geschilderte republikanische Narrativ ist immer ein Restaurationsplot. Es geht um die Wiederherstellung eine idealen Zustands, den man bereits erreicht hatte, die Rückkehr ins Paradies. Die Struktur des Restaurationsmodells ist also grundsätzlich: A (positiv) –> B (negativ) oder gar Non-A (extrem-negativ) –> A.
Das Schöne an Restaurationsplots ist, dass man, um sie zu erzählen, keinen Funken Intelligenz braucht: Man muss sich nicht mit gegenwärtigen Problemen und zukünftigen Lösungen auseinandersetzen, muss die Phantasie der Zuhörer nicht anregen, sich ein anderes, besseres Morgen vorzustellen, muss keinen Weg dorthin aufzeigen, weil alles, was man für die Beschreibung des positiven Endzustands der Geschichte braucht, ja schon da war und bekannt ist.
Das Restaurationsmodell braucht das „Böse“ mehr als das „Gute“
Das einzige, was bei einer solchen Geschichte den Zuhörer noch interessieren könnte, ist demgegenüber die Frage: Wie wird der Held den bösen Gegenspieler besiegen, bestrafen und vernichten? Was hat dieser Schurke noch alles auf dem Kerbholz, das wir im Laufe der Geschichte gezeigt bekommen werden? Das sind die Gesetze des Action-Kinos mit Helden à la Chuck Norris und genau wie diese Filme unterliegen sie der Logik der Steigerung von Tempo, Zerstörung, Gewalt und Rache. Um das Publikum mit solch einer Geschichte bei Laune zu halten, ist wie gesagt keine herausragende Intelligenz erforderlich, aber eine schmutzige Phantasie und ein wenig sadistische Kreativität sind dagegen durchaus hilfreich.
Der Restaurationsplot braucht den „Bösen“ und er braucht „das Böse“: Wie sonst will man erklären, dass die als beste aller Welten geschaffene Welt aus den Fugen geraten konnte? Reagan und Bush haben das Erzählen des Bösen durchexerziert und gezeigt, dass man den Restaurationsplot auch nach der gewonnenen Wahl weitererzählen kann (und muss): Der innere Gegner wird durch einen äußeren Feind ersetzt, dessen Modellierung zum „Superschurken“ durch keinerlei Spielregeln der (innen)politischen Balance mehr gehemmt ist. (Auch hier herrscht wieder Steigerungslogik: Die Schauplätze der Story können ausgedehnt werden, auch diversifiziert werden, wie bei einem Bond-Knaller, wo es an jeder exotischen Ecke der Welt den Schurken und seine zahlreichen Unter- und Co-Schurken zu jagen und zu exekutieren gilt.)
Endzeitgeschichte als unendliche Geschichte
Notwendiger Weise sind Restaurationsplots zutiefst undemokratisch: Der Restaurationsplot verspricht ja in letzter Konsequenz, dass mit dem Ende der Story – endlich! – auch die Geschichte endet. Enstprechend predigten im frühen 19. Jahrhundert die damals durchaus populären restaurativen historischen Romane deutscher Feder die endgültige Rückkehr von Monarchie und Adelsherrschaft nach der historischen „Störung“ durch Französische Revolution und napoleonische Wirrnis. Das Bedürfnis nach Wiederherstellung des in der Grundordnung schon einmal erreichten idealen (wahlweise auch: „natürlichen“, „gottgewollten“, „allgemein Menschlichen“, „paradiesischen“) Zustands geht immer mit dem Streben nach Endgültigkeit einher. Auch deshalb ist das Heranwachsen respektive das „Entdecken“ immer neuer Bösewichter und Schurken, die erst noch getilgt werden müssen, eine Grundvoraussetzung für die Weitererzählbarkeit dieser Story und folglich für das Weiteragieren republikanischer Politiker auch über den Sieg hinaus. Als politische Erzähler tendieren ausgerechnet die republikanischen Christen somit zu einem Manichäismus, der in unseren Breiten erzählstrukturell schon seit dem Biedermeier erledigt ist. Wer aber in einer Demokratie mit einem teleologischen Masterplot alle paar Jahre wieder gewählt werden will, muss notwendigerweise aus einer Endzeitstory eine unendliche Geschichte machen.
Der Storytelling-Strategie, die Kaplan als die republikanische beschreibt, kommt das duale Parteiensystem der USA natürlich entgegen. Weil sich hier die selben Akteure bei einem in Endlosschleife wiederholten Showdown gegenüberstehen, kann auch die Story derart recycelt werden; mit der schönen Bedingung, dass von Zeit zu Zeit auch der „böse“ Kontrahent mal gewinnen muss. Mit einem solchen Duell lässt sich die politische Konstellation hierzulande nicht erzählen; nicht einmal der Mexican Standoff würde die Verhältnisse hinreichend illustrieren. Entsprechend ist auch der Restaurationsplot kein ernsthaftes Angebot an die Konservativen hierzulande. Deren Strategie scheint – zumindest in der Ära Merkel – wohl eher darin zu bestehen, mit allen erdenklichen Mitteln eine Nicht-Story zu erzählen. Aber das ist eine andere Geschichte.