Storytelling im Werbespot, Erzählungen in filmischer Form, komprimiert auf eine knappe Minute oder zwei: Die Bandbreite ist weit und wird wohl in Zukunft noch erweitert werden. Das betrifft die Erzählweise, die Komprimierung, das Ausmaß an Intertextualität und nicht zuletzt die verzwickte Frage, wie das Produkt (oder das „sendende“ Unternehmen) in die Geschichte integriert wird. Derzeit gibt es unterschiedlichste Ansätze; der aktuelle Trend scheint aber zu sein, voll auf Emotion zu setzen. Was dabei auf der Strecke bleiben könnte, ist nicht nur der Respekt vor der Intelligent der Rezipienten und folglich den Kunden – wenn es den je gegeben haben sollte – sondern auch die Geschichten selbst.
"Gerührt – nicht geschüttelt: Wie Storytelling in Werbespots auf unsere Emotionen zielt" weiterlesenNaturgemäß muss man erst einmal eine solche Geschichte haben. Muss das Gespür dafür haben, dass man eine Story gefunden hat, die es auch verdient, als Geschichte erzählt zu werden. Es dann auch zu tun und erzähltechnisch gut zu tun, ist dann immer noch eine bemerkenswerte Leistung.
Eine Story mit mehreren Ebenen
Marc Brost, Mark Schieritz und Wolfgang Uchatius haben es getan, in der ZEIT Nr. 27 2013. Die Geschichte selbst soll hier nicht nacherzählt werden, es lohnt sich, Inhalte und Art der Darstellung im Original nachzulesen. „Verrechnet!“, so der Beitragstitel, handelt vom Wissenschaftsbetrieb, vom intrikaten Verhältnis von Wissenschaft – in diesem Falle von der Volkswirtschaftslehre –, Politik und Wirklichkeit. „Verrechnet!“ handelt auf der nächsten Ebene von Glaube und Zweifel, von Autoritätsbeweisen und vom Expertentum aus erster, zweiter und dritter Hand und wie das sich als Gott auf tönernen Füßen entpuppt (by the way ein schönes Beispiel für Campbells entsprechende Figurenklasse).
"„Verrechnet!“ geht voll auf: Ein gelungenes Beispiel journalistischen Storytellings" weiterlesenIn einem Essay zur NSA, Prism-Affaire und Big Data stellt Frank Schirrmacher in der FAZ u.a. die These auf, die digitale Totalüberwachung unserer Kommunikationen werde in letzter Konsequenz dazu führen, dass unsere Biografien von den Prognosealgorhitmen der Überwacher in Wirtschaft und Staat so konsequent vorauserzählt werden wird, dass ein Entrinnen kaum mehr vorstellbar ist.
Unsere Daten und Datenspuren, so Schirrmacher, würden zu „neuen Lebensnarrativen“ computiert: Der geheimdienstlich-ökonomisch-digitale Komplex, so kann man Schirrmacher lesen, erschaffe „digitale Doppelgänger“, die von den Überwachungs- (und Bestrafungs-)Instanzen letztlich ernster genommen würden als unsere realen Existenzen. „Überwachung als Bestandteil der Informationsgesellschaft… verhindert auch, wie Stephen Baker gezeigt hat, dass die angeblich falschen Leute Kredite bekommen oder Karriere machen. Überwachung in der Gesellschaft der Zukunft ist eine gigantische Risikoeinpreisungsmaschine, die buchstäblich alles bewertet und hochrechnet.“
Die Irrelevantsetzung autobiografischen Erzählens
Aus Sicht der Narratologie findet hier tatsächlich ein fundamentaler Wandel statt: Vom (auto-)biografischen Erzählen als Akt der Re-Organisation von Erlebnissen und Re-Interpretation der eigenen Lebensgeschichte und damit der eigenen Identität, hin zu einem Vorauserzählen des Lebens, einer Prä-Interpretation von Handlungen und Äußerungen, die Identität fremdbestimmt und vor allem: keinen Spielraum für Optionen mehr lässt.
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