Tütü, Tata – Storytelling nach dem „Ermöglicherschema“
Kategorien Storytelling im Marketing, Storytelling-DiskursNeulich sah ich einen jungen Mann, der – unterwegs zu einem bayerischen Volksfest – ein rosa Tütü über seiner Pseudo-Trachten-Lederhose trug. Schwer zu erraten, was jemand mit einem solchen Aufzug auszusagen versucht; Aufmerksamkeit erregte er in dem Outfit allemal. Nicht schwieirg dagegen zu sagen, woher die Anregung für die Maskerade kam, hat doch die Telekom über ihre Werbung den „Mann im Tütü“ über die Grenzen der Netzgemeinde hinaus bekannt gemacht, indem sie ihn und m.E. seine Geschichte in den Mittelpunkt von Fernsehspots stellte. Motto: Das Internet ermöglicht tolle Geschichten und wir gehören – zusammen mit vielen anderen – zu denjenigen, die die Infrastruktur dafür bereitstellen, damit so etwas geschehen kann.
Nennen wir die Struktur hinter dieser Werbung mal das „Ermöglicherschema“: Man sucht sich eine interessante, ungewöhnliche Story aus dem wahren Leben und pappt dann eine Botschaft dran, die suggerieren soll: Sowas machen wir möglich (wie mittelbar auch immer).
Derzeit arbeiten auch andere Unternehmen (bzw. Agenturen) gerne mit dem „Ermöglicherschema“, Siemens beispielsweise hat eine ganze Serie von kleinen Dokus auf Youtube, die Menschen und Geschichten vorstellen, um am Ende – wenn auch deutlich dezenter als die Telekom – auf einen Konnex zwischen der Story und eigenen Produkten aufmerksam zu machen. (Ein gut gemachtes Beispiel hier.)
Ein Schema mit Risiken
Das Schema hat aus meiner Sicht allerdings so seine Haken:
Da ist zum ersten die Verbindung zwischen Story und angeflanschter Botschaft, die in den aktuellen Beispielen – euphemistisch gesprochen – doch arg konstruiert wirkt. Denn jene „Provider“, die sich am Schluss dann selbst ins Gespräch bringen müssen, kommen in der eigentlichen Story eben nicht vor und spielen in der Geschichte im doppelten Sinne keine Rolle. So verstimmt im schlechtesten Falle die Absicht, die man spürt, und im besten Falle denkt man sich: „So what?“.
Da ist zum zweiten die Austauschbarkeit der werbenden Unternehmen: Dienstleister und Hersteller, die – als Teil der Welt, in der wir nun mal leben – in weitesten Sinne dazu beitragen, dass etwas passiert, dass wir beispielsweise kommunzieren, gibt es viele. Und so macht man mit dieser Strategie immer auch auf die Konkurrenz aufmerksam. Und außerdem: Wer den Mann im Tütü zuerst im Netz entdeckt hat und seinen Zugang über, sagen wir: Dadafone bekommt, was soll der angesichts der Werbung denken: Danke Telekom oder Danke Dadafone oder doch lieber –?-???-! (Ganz davon abgesehen, dass man nach kurzem Nachdenken draufkommt, dass sich die Geschichten im Kern auch unter anderen Umständen und mit Hilfe anderer Medien/Techniken hätten ereignen können.)
Und zum Dritten: Wenn man es so macht wie die Telekom, dann kommt die Geschichte auch noch schlecht rüber, was angesichts des Formats kein Wunder ist. Wer kein Vorwissen hat oder sich bei den Spots nicht schwer konzentriert (wer konzentriert sich schon auf Werbefernsehen?), dem bleibt schleierhaft, was die ganze Geschichte hinter dem Mann im Tütü ist. Das zeigen jedenfalls viele Alltagsgespräche und verzweifelte Nachfragen in Internetforen („Lies die Geschichte auf…“ wird dann gerne empfohlen. Lesen bildet eben).
Aber immerhin: Der Spot hat viel Aufmerksamkeit erregt (rein quantitativ ist also alles in Butter), Bob Carey und seine Frau werden sicher zufrieden sein und auch unserem Mann beim Volksfest hat die Telekom einen echt Aufsehen erregenden Auftritt beschert.